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Carlo Innocenzo Carlone

Maler

geb. November 1686



Scaria, Val d'Intelvi (I)
(Vater: Giovanni Battista; Mutter: Taddea Allio;
Bruder: Diego Francesco)
°° Catarina Corbellini
gest. 17. Mai 1775 Scaria (I)
Carlone Familie

Carlo Carlone, Selbstbildnis mit Familie, Privatsammlung, Mailand

Carlo Carlone war einer der meist beschäftigten Maler in Österreich, Deutschland und Italien. Er schuf vor allem großformatige Wand- und Deckengemälde in Kirchen und Palästen. Daneben entstanden große Ölgemälde, meist für Kirchen, immer mit einer Vielzahl von Figuren bevölkert und sehr farbenprächtig. Zwei seiner besten Bilder aus den letzten Schaffensjahren sind im Tessin zu sehen, in der Pfarrkirche von Castel San Pietro, unweit seines Heimatdorfes Scaria.

Daß Carlo Carlone einer weit verzweigten Künstlerfamilie entstammt, können Sie aus dem Stammbaum ersehen (CARLONI - Scaria; da er in der kunstgeschichtlichen Literatur meist als Carlone auftaucht, wird er auch hier so genannt). Die meisten seiner Verwandten arbeiteten in Österreich und Deutschland als Architekten und Stuckateure. Zur Zeit von Carlos Geburt war sein Vater Giovanni Battista in Passau und Umgebung als Stuckateur beschäftigt. So verbrachte der Junge wohl viel Zeit in Deutschland und lernte von früh auf die Sprache, was ihm später sehr zugute kommen sollte.

Bald zeigte sich, daß es Carlo mehr zur Malerei hinzog. Zum Glück nahm ihn ein Landsmann aus dem Nachbardorf Laino im Val d'Intelvi unter die Fittiche, Giulio Quaglio, der in Udine und dann in Ljubljana, der Hauptstadt des heutigen Slowenien, eine florierende Werkstatt betrieb. Dessen Vater, Giovanni Maria Quaglio, war angeblich ein Schüler Tintorettos gewesen.

Carlo kam also mit Quaglio im Mai 1703 nach Ljubliana, damals im Habsburger Reich Laibach genannt, und half ihm bei der Ausschmückung des Doms. Er lernte sowohl die Kunst der Freskomalerei als auch der Anfertigung von Ölgemälden und rundete seine Ausbildung mit Aufenthalten im nahegelegenen Venedig ab. Dort hatte er Gelegenheit, nicht nur die Werke von Tintoretto zu sehen, sondern auch von Barockmalern wie Sebastiano Ricci. 1708, mit 22 Jahren Jahren, erhielt er den ersten größeren Auftrag in Innsbruck. Sicher kam ihm zu Beginn das Netz der Bekanntschaften seines Vaters und des älteren Bruders, des Bildhauers und Stuckateurs Diego Carlone, sehr zu Hilfe.

Wand- und Deckengemälde
Zuerst einige Beispiele der von ihm komponierten Fresken, die ja an Ort und Stelle auf den feuchten, cremigen Kalkputz aufgemalt werden. Dank der chemischen Reaktion verbinden sich die Farben unlöslich mit dem Untergrund und bleiben über Jahrhunderte erhalten, ohne ihre Frische einzubüßen. Diese bereits im alten Rom, etwa in Pompei, verwendete Technik kam in der Barock- und Rokokozeit wieder stark in Mode. Allerdings stellt sie hohe Anforderungen an den Künstler, denn er muss Putz und Farbe am gleichen Tag auftragen und sehr rasch arbeiten, ohne die Möglichkeit, Korrekturen anzubringen.

Wien oberes Belvedere Marmorsaaldecke

Wien, Oberes Belvedere, Marmorsaal, Allegorie des Prinzen (Eugen von Savoyen),
Deckengemälde von Carlo Carlone, 1721-23

Carlone hatte sich, nach ein paar Jahren in Passau, 1715 in Wien niedergelassen. Dort machte er sich bald einen Namen, nicht nur in kirchlichen Kreisen, sondern auch bei den Adeligen, z.B. bei Prinz Eugen von Savoyen. Offenbar gefiel sein Stil, denn er erhielt Aufträge für das Palais Daun Kinsky (Deckenfresko im großen Festsaal und im Treppenhaus), das Schloß Hetzendorf (Deckenfresko Der Sonnenwagen für den Fürsten von Liechtenstein), das Schloß Siegharts und sogar in Prag für einen Freskenzyklus im Palais Clam Gallas.

In diese Zeit fällt auch seine Heirat mit Caterina Corbellini, der Tochter eines Stuckateurs und Altarbauers aus dem Nachbardorf Laino im Val d'Intelvi. Zwischen 1719 und 1723 wurden in der Pfarrei St. Stephan in Wien die ersten vier Kinder getauft.

Sein Ruf verbreitete sich auch nach Süddeutschland, wo Herzog Eberhard Ludwig von Württemberg gerade im Begriff war, eine Residenz in Ludwigsburg errichten zu lassen. Eine Vermittlerrolle mag auch der von Eberhard Ludwig engagierte Architekt gespielt haben, Donato Frisoni, ebenfalls aus Laino im Val d'Intelvi und nur drei Jahre älter als Carlone.

Die erste Aufgabe betraf die Ausschmückung der Schlosskirche:

Schlosskirche Ludwigsburg

Schloßkirche Ludwigsburg,
Kuppelfresko
mit der
Glorie der Hl. Dreifaltigkeit
von Carlo Carlone,
1719-20

Ein Teil der Stuckfiguren rund um dieses Gemälde sowie die Statuen von David und Salomo am Hochaltar sind von Diego Carlone, dem älteren Bruder und sehr erfolgreichen Bildhauer.

Offenbar war der Herzog mit der Arbeit zufrieden, denn er erteilte Carlone einen Großauftrag, nämlich das Deckengemälde der Ahnengalerie zu gestalten. 1733 machte sich Carlone an die Arbeit: Die Länge der Galeriedecke teilte er in verschieden große Felder ein und füllte sie mit Darstellungen aus der griechischen und römischen Mythologie.

Residenzschloss Ludwigsburg

Residenzschloß Ludwigsburg (D),
Ahnengalerie mit Deckenfresken
von Carlo Carlone,
1733-1734

Das mittlere Feld zeigt das Leitthema: Die Wissenschaften und Künste verherrlichen Herzog Ludwig Eberhard von Württemberg. Hier ist ein Detail:

Residenzschloss Ludwigsburg Ahnengalerie

Residenzschloss Ludwigsburg (D), Ahnengalerie, Deckengemälde von Carlo Carlone

Gelegentlich entstand auch ein vierhändiges Fresko, zum Beispiel 1724 in der Wallfahrtskirche Stadl-Paura in Oberösterreich: Carlo Carlone war für die Figuren zuständig, während Francesco Messenta aus Lugano die Scheinarchitektur malte.

Stadl-Paura Wallfahrtskirche Kuppelgemälde

Pfarr- und Wallfahrtskirche zur Allerheiligsten Dreifaltigkeit, Stadl-Paura (A), Kuppelgemälde von Carlo Carlone, 1724

Die Kirche ist auch noch wegen ihrer Symbolik einzigartig: sie hat einen dreieckigen Grundriss, drei Türme, drei Altäre, drei Orgeln, drei Halbkuppeln und drei Marmorportale.

Dreifaltigkeitskirche Stadl-Paura

Dreifaltigkeitskirche in Stadl-Paura bei Lambach (A)

Einen weiteren prestigeträchtigen Auftrag erhielt Carlone 1735-36. Der Markgraf Carl Wilhelm Friedrich aus dem Hause Hohenzollern wollte den Festsaal seiner Residenz in Ansbach, ca. 40 km südwestlich von Nürnberg, gebührend ausschmücken. Er war übrigens ein Neffe von Caroline von Brandenburg-Ansbach, der Frau des englischen
Königs George II.

Festsaal Residenz Ansbach

Residenz Ansbach, Festsaal,
Die Verherrlichung
des Markgrafen
Carl Wilhelm Friedrich
von Ansbach,

Deckenfresko von Carlo Carlone,
1735

Nach Vollendung dieses Auftrags übersiedelte Carlone mit seiner Familie in sein Heimatdorf Scaria im Val d'Intelvi. Mit ein Grund für den Umzug mag die Tatsache gewesen sein, daß der Großteil der Lombardei nun von den Habsburgern in Wien regiert wurde, sodaß Carlone auch hier seine offenbar guten Beziehungen zu einflussreichen Auftragebern spielen lassen konnte. Es war der Beginn einer intensiven Tätigkeit in Oberitalien und im nahe gelegenen Tessin. Dabei vergaß er nicht, im Lauf der Jahre auch die Kirche ins seinem Heimatdorf mit Fresken zu überziehen.

Dazwischen kehrte er noch einmal, 1747-1750, nach Deutschland zurück, um einen großen Auftrag anzunehmen: er sollte im Schloß Augustusburg in Brühl bei Bonn den Festsaal und das Treppenhaus ausschmücken.

Schloss Augustusburg Brühl

Schloss Augustusburg,
Brühl (D),
Prunktreppe
mit Deckengemälde
von Carlo Carlone,
1747-1750

Die spektakuläre Prunktreppe, das Kernstück des Schlosses, hatte Balthasar Neumann ein paar Jahre zuvor erbaut. Carlone malte darüber ein atemberaubendes Deckenbild,
Die Verherrlichung des Hauses Wittelsbach. Dabei konnte er sich fast wie zu Hause fühlen, denn die Stuckateure kamen aus dem Tessin: Giuseppe Artari aus Arogno, Pietro Morsegni aus Lugano und Giuseppe Antonio Brilli aus Cureglia.

Übrigens wurde Carlone für seine Arbeit wahrhaft fürstlich bezahlt: die 5300 Reichstaler plus Reisekosten sind vergleichbar nur mit dem, was Tiepolo drei Jahre später für sein Treppenfresko in der Würzburger Residenz erhielt.

Schloss Augustusburg diente seit 1949 zu Repräsentationszwecken für den Bundespräsidenten und die Regierung in Bonn. 1984 wurde es von der UNESCO in die Liste des Weltkulturerbes aufgenommen.

Ölgemälde
Neben den Fresken schuf Carlone zahlreiche Ölbilder, meist in großem Format zur Ausschmückung von Kirchen oder Palästen.

Seine Gemälde finden sich nördlich der Alpen, in chronologischer Reihenfolge, u.a. in Kirchen in Innsbruck (A), Linz (A), Passau (D), Prag (CZ), Wroclaw (PL), Stadl-Paura (A), Weingarten (D); im Rathaus von Linz (A) und im Schloß Augustusburg in Brühl (D); in der Klosterkirche Einsiedeln (CH). Und nach seiner Übersiedlung nach Scaria im Jahre 1735 in Kirchen und Palästen in der Lombardei (u.a. in Monza, Brescia, Bergamo, Lodi, Como, Asti und in seinem Heimatdorf Scaria), sowie in der italienischen Schweiz.

Als Beispiel seiner reifen letzten Jahre seien die beiden Gemälde in der Pfarrkirche von Castel San Pietro (CH) erwähnt. Sie hängen zu beiden Seiten des Hochaltars, umrahmt von den Rokokostuckaturen von Francesco Pozzi, der über 30 Jahre in Süddeutschland gearbeitet hatte. Die Bilder entstanden 1758-1759, als Carlone bereits 72 Jahre alt war.

Pfarrkirche Castel San Pitero Taufe de Bischofs Eusebius

Pfarrkirche Castel San Pietro, Schweiz, Papst Eusebius tauft den künftigen Bischof Eusebius, Ölgemälde von Carlo Carlone, 1758-1759

Der Hl. Eusebius, dem die Kirche in Castel San Pietro geweiht ist, wurde um 300 in Sardinien geboren. Er christianisierte Oberitalien und wurde dessen erster Bischof mit Sitz in Vercelli im Piemont. Hier sehen wir ihn mit seinen Eltern und Geschwistern, wie er vom bereits alten Papst Eusebius getauft wird, der nach nur ein paar Monaten im Amt im Jahre 309 verstarb.

Pfarrkirche Castel San Pitero Das Konzil von Mailand

Pfarrkirche Castel San Pietro, Schweiz, Das Konzil von Mailand, Ölgemälde von Carlo Carlone, 1758-1759

Diese dramatische Szene spielte sich auf dem Konzil von Mailand im Jahre 355 ab. Bereits seit Jahren standen sich zwei Lager gegenüber: die Anhänger des Arius, für die Jesus ein sterblicher Mensch war, und diejenigen des Athanasius, die ihn als Sohn Gottes betrachteten. Der römische Kaiser Constantius II. vertrat, man sieht es an seinen Gesten, die Seite des Arius, während Bischof Eusebius mit der Hand nach oben weist.

Besonderer Dank gebührt dem Fotografen, Gianluca Poletti, der die beiden Aufnahmen speziell für diese Biographie anfertigte. Sie erlauben es, Details zu erkennen, die in der meist dunklen Kirche nicht zu sehen sind.

In Carlones Nachlass befanden sich rund 300 Vorzeichnungen (it. bozzetti) auf Karton zu den verschiedenen Projekten, die vom Sohn Giovanni Battista sorgfältig katalogisiert wurden. Leider blieben sie nicht in der Familie, sondern sind jetzt überall verstreut, vor allem in Privatsammlungen in England und Deutschland.

Literatur

Links


© U. Stevens 2011 / 2015

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