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Baldassare Fontana
Bildhauer, Stuckateur |
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geb. 26.06.1661 |
Chiasso (Vater: Pietro Martire; Mutter: Anna Maria Girola; Bruder: Francesco) °° 1689 Maria Elisabetta Gilardoni |
gest. 6.10.1733 |
Chiasso |
Signatur von Baldassare Fontana
Baldassare Fontana war ein vielseitiger Künstler, der vor allem durch die Ausschmückung von Innenräumen in Palästen, Kirchen und Klöstern berühmt wurde. Er schuf lebensgroße Figuren, Reliefs und festliche Ornamente im damals beliebten weissen Stuck.
Dank seiner Ausbildung in Rom wurde er zu einem der gefragtesten Künstler, der den Stil des italienischen Barocks nördlich der Alpen populär machte. In der Tat begann nach dem 30-jährigen Krieg (1618-1648) eine intensive Bautätigkeit in den verwüsteten Gebieten Mitteleuropas, und Fontana ergriff die gebotene Gelegenheit. Seine Karriere begann in Bayern, von wo ihn die adeligen Auftraggeber weiter empfahlen: nach Tschechien und nach Polen. In diesen beiden Ländern verbrachte er ganze 41 Jahre, bis er zwei Jahre vor seinem Tod nach Chiasso zurückkehrte.
Um es gleich vorwegzunehmen: Zum 350. Jahrestag seiner Geburt fand am 17. Dezember 2011 eine internationale Tagung über Baldassare Fontana statt, die erste überhaupt. Aus diesem Anlass wurden Fotos seiner wichtigsten Werke gezeigt, die Sie im Anhang als PdF-Dokument betrachten können.
Statuen
Mit Figuren bedeutender Persönlichkeiten begann Fontana seine Laufbahn. Die Familie von Preysing, die 1664 den Titel Reichsgrafen
erhielt, baute
ihren Sitz Hohenaschau in Oberbayern zu einem eleganten Palast aus. Der vom Architekten Enrico Zuccalli entworfene Südflügel sollte drei Festsäle
erhalten, einer davon mit Statuen der Ahnen des Auftraggebers, Max II. von Preysing-Hohenaschau. Es ist anzunehmen, dass sich Zuccalli nach einem
geeigneten Bildhauer umhörte und von den Stuckateuren, die bereits für ihn an der Münchner Theatinerkirche arbeiteten, nämlich Nicolò Perti aus
Muggio und Francesco Brenni aus Salorino, den Hinweis auf Fontana erhielt. Letzterer war bereits ab 1680 im Schloss tätig, wo er die Kirche dekorierte.
Schlosskapelle Hohenaschau mit Stuckaturen von Francesco Brenni, 1680-81
Ein Blick in den Ahnensaal zeigt die gewaltige Aufgabe, die dem erst 21-jährigen Balthasar Fontana anvertraut wurde.
Preysing- oder Ahnensaal
im Schloss Hohenaschau
mit 12 überlebensgroßen
Ritterfiguren
von Baldassare Fontana,
1682-1683
Die Reihe der Vorfahren beginnt mit Andreas im Jahre 942 und endet mit Max I. von Preysing-Hohenaschau (1609-1668).
Die übrigen reichen Dekorationen dieses und der zwei anschließenden Säle wurden, gemäß Inschrift über der Eingangstür, 1686 vollendet. Dort heisst es:
Der hochgeborene Max Johann Franz, des Heil. Röm. Reichs Graf von Preysing, Freiherr auf Altenpreysing, in Ober- und Niederbayern, auch des Hochstifts Freising Erbschenk,
Herr der Herrschaft Hohenaschau, Kronwinkl, Söllhuben, Neu- und Altenbeuern, Rohr- und Nussdorf, Farnach, Stolzenberg und Ninhofen, des Kurfürsten in Bayern Kämmerer, Obersthofmarschall,
Pfleger zu Viechtach, auch der gemeinen Landschaft, Mitverordneter Oberlands, hat der Preysingschen Familie diesen Saal zu Festen ganz neu erbauet. Anno 1686.
Weitere Beipiele seiner Statuen finden wir im Inneren der Kirche St. Michael in Olmütz und im angegliederten Kreuzgang.
Oder in der St. Anna Kirche in Krakau.
Personifizierungen der Philosophie
und der Rechtswissenschaft,
Statuen von Baldassare Fontana
in der Universitätskirche St. Anna
in Krakau (PL)
Bild von:
Ludwig Schneider
Wikimedia Commons
Dekorationen an Decken und Wänden
Um 1680, als Fontana seine Laufbahn begann, hatte ein wiederentdecktes Material zur Herstellung von Figuren und Ornamenten bereits seinen
Siegeszug angetreten: der Stuck. Schon im alten Griechenland und im römischen Reich verwendete man diese Mischung aus Gips, Kalk,
gewaschenem Quarzsand und Marmorpulver, verflüssigt mit Wasser, Leim und Mandelöl, manchmal auch mit Wein, um die Trocknung zu
verlangsamen. Mit Hilfe von Gipskellen, Spachteln, Modellierhölzern oder direkt von Hand liess sich die feuchte Masse rasch verarbeiten und trocknete
an der Luft. Die Bildhauer aus Italien und dem Tessin erwiesen sich dabei als besonders geschickt beim Erproben neuer Mischungen, die sie dann wie ein
Betriebsgeheimnis hüteten. Sie passten sich auch bereitwillig den Wünschen der Auftraggeber an und hatten gerade in den katholisch geprägten Ländern
den Vorteil, dass sie mit der Darstellung von Heiligen, ihren Attributen und Gesten vertraut waren. So ist es nicht verwunderlich, dass die Welschen
,
wie sie genannt wurden, in den Jahren der Barock- und Rokokozeit bis etwa 1780 den Markt beherrschten.
Schloss Hohenaschau (D),
Blick in die Festsäle
mit Stuckdekorationen
von Baldassare Fontana,
1684-1686
In diesen Sälen wirkt alles verspielt und strahlt eine fröhliche Leichtigkeit aus. Man kann sich gut vorstellen, wie hier Feste gefeiert oder Konzerte aufgeführt wurden, was übrigens auch heute wieder der Fall ist.
Nach Abschluss der Arbeiten im Jahre 1686 begab sich Fontana nach Kroměříž / Kremsier im heutigen Tschechien, wo der Erzbischof von Olmütz, Karl II. von Liechtenstein-Kastelkorn, gerade eine neue Residenz errichten liess. Wer Fontana dorthin empfahl, ist nicht bekannt, aber es könnte der Bischof von Chiemgau gewesen sein, Johann Franz von Preysing, der 1687 verstarb. Oder aber der Tessiner Architekt dieser Residenz, Giovanni Pietro Tencalla aus Bissone.
Kroměříž, Erzbischöflicher Palast am Marktplatz, erbaut von Giovanni Pietro Tencalla, mit Stuckaturen von Baldassare Fontana, 1688
Fontana erhielt den Auftrag, drei Säle im Erdgeschoß zu schmücken. Die Abbildungen im Anhang geben Ihnen einen Eindruck von der Fülle an Blumen, Früchten, Girlanden, Figuren und Ornamenten aus Stuck, mit denen er in relativ kurzer Zeit, bis November 1688, die Wände und Decken überzog.
Übrigens ist dieser Palast auch wegen seiner Gemäldesammlung sehenswert, der zweitgrößten nach der Prager Nationalgalerie, mit Werken italienischer, holländischer und deutscher Maler des 15.-19. Jahrhunderts.
Offenbar gab es im Umkreis der Stadt Olmütz genügend Arbeit für Fontana, zum Beispiel in der Ottilien-Kapelle von Vyškov und im Schloss Šebetov. Ein größerer Auftrag war die Dekoration des Festsaals und der Bibliothek des Prämonstratenser-Klosters Hradisko.
Kloster Hradisko bei Olmütz (CZ), erbaut ab 1661 von Giovanni Pietro Tencalla und Domenico Martinelli
An der Decke der großen Treppe fertigte Fontana die Medaillons der vier Tugenden. Die Abbildung zeigt die Personifizierung der Liebe (Caritas) als Frauenfigur, die das Nest eines Pelikans mit seinen Küken in Händen hält.
Kloster Hradisko (CZ)
Medaillon von Baldassare Fontana
im Treppenhaus, 1692
Die Jahre von 1695 bis 1704 verbrachte Fontana in Polen, denn zum neuen Erzbischof von Olmütz wurde der 15-jährige Karl III. Joseph von Lothringen gewählt, der mit 18 Jahren auch Bischof von Osnabrück wurde. Er war mehr an der Mehrung seiner politischen Macht als an Kunst und Architektur interessiert.
Polnisches Intermezzo
Einen neuen Wirkungskreis fand Fontana in Krakau, wo bereits mehrere Tessiner Architekten tätig waren. Zum Beispiel Francesco Solari aus
Carona, der mitten im Stadtzentrum, am Marktplatz, das heutige Historische Museum erbaute. Gleich nach seiner Ankunft dekorierte Fontana dort zwei Säle, die sogar nach ihm benannt sind.
Sein Hauptwerk ist jedoch die Universitätskirche St. Anna, die als eine der schönsten Barockkirchen Polens gilt. Auch sie wurde nach Plänen von Francesco Solari erbaut.
Die Ausschmückung mit zahlreichen Statuen und Ornamenten nahm mehrere Jahre in Anspruch. Nach neuesten Erkenntnissen betätigte sich Fontana hier auch als Architekt - er hatte ja in Rom bei seinem Verwandten, dem Architekten Carlo Fontana, Unterricht erhalten. Die Fassade stammt gemäß M. Karpowicz von ihm, und am Turm fand man seine Unterschrift. Er schuf auch die Statuen an der Fassade.
Krakau, St. Anna Kirche,
Entwurf der Fassade
und der Türme
sowie Skulpturen
von Baldassare Fontana,
um 1700
Die Jahre von 1704 bis 1731 verbrachte Fontana wieder in Mähren, dem östlichen Teil des heutigen Tschechien. Seine Werkstatt hatte einen guten Ruf und wurde von weltlichen und geistlichen Auftraggebern geschätzt, besonders auch von dem in Rom ausgebildeten neuen Erzbischof von Olmütz, Wolfgang von Schrattenbach (reg. 1711-1738). Wichtige Stationen sind die Michaelskirche mit Kreuzgang in Olmütz, das Schloß Konice, Schloss Šebetov bei Hradisko, Schloß und Franziskanerkloster in Uherské Hradiště, die Basilika in Svatý Kopeček bei Olmütz und die Basilika in Velehrad. Bei fast allen diesen Bauten taucht auch der Name des Architekten Giovanni Pietro Tencalla aus Bissone auf (1629-1702).
Familie und Mitarbeiter
Baldassare gehörte zur Künstlerfamilie der Fontana aus Novazzano, die mehrere Architekten hervorbrachte, darunter den in Rom tätigen Carlo Fontana.
Bei ihm und bei den Bildhauern Ercole Ferrata und Antonio Raggi erhielt Baldassare eine solide Ausbildung, so daß er bereits mit 21 Jahren die oben erwähnten 12 Statuen im Schloss Hohenaschau (D) anfertigen konnte.
1689 heiratete er in Chiasso und hatte drei Kinder, Michele, Francesco Antonio und Chiara. Oft kehrte er im Winter, wenn die Bauarbeiten ruhten, in die Heimat zurück, mit Ausnahme der neun Jahre in Krakau, wohin ihn die Familie wohl begleitete. Während eines dieser Aufenthalte daheim gestaltete er diesen Kamin im Haus der Architektenfamilie Cantoni in Cabbio im Muggiotal. Die Dame ist Minerva, die Göttin der Kriegsführung, aber auch Beschützerin der Handwerker und Hüterin der Kunst und des Wissens. Am 19. März begingen die Handwerkszünfte ihr zu Ehren ein Fest.
Baldassare Fontana, Kaminaufsatz im Museo Etnografico Casa Cantoni, Cabbio (CH)
Zum Vergleich ein Kaminaufsatz aus Delft (NL) von Carlo Giuseppe Bolina. In der Beschreibung heisst es, Minerva mit Putten bedeute, dass in diesem Haus junge Leute eine Berufslehre machen konnten.
Dass sich die Künstler - vor allem aus dem Südtessin und Umgebung - kannten und befreundet waren, zeigt sich auch an den Namen der Mitarbeiter Fontanas in Polen und Tschechien: Neben seinem jung verstorbenen Bruder Francesco (Stuckateur, 1666-1697) sind in der Literatur erwähnt: Paolo Baruzzi aus Bruzella (Stuckateur, 1641-n.1693), Giovanni Pietro della Torre aus Ramponio im Val d'Intelvi (Bildhauer, 1660-1711), Innocente Monti aus Mendrisio (Maler, 1644-1716), Paolo Pagani aus Valsolda (Maler, 1655-1716). In der Pfarrkirche von Chiasso hängt sogar ein Ölgemälde von Pagani, Das Martyrium des Hl. Vitale (gest. ca. 60 n.Chr.), der besonders in Mailand und Ravenna verehrt wird. Ein ganz ähnliches Bild hatte Paolo Pagani 1695 in Krakau gemalt, siehe im Anhang Seite 4.
Literatur
- Karpowicz, M.: Baldasar Fontana, Fondazione Ticino Nostro, Lugano 1990
- Karpowicz, M.: Baldassare Fontana. Addenda et corrigenda, in Archivio storico ticinese Nr. 122, Dez.1997, S.239-250
- Baldasar Fontana da Chiasso 1661-1733, La sua arte in Europa.
Internationale Tagung am 16.-17. Dezember 2011 in Chiasso, Schweiz
Links
- Baldassare Fontana (Treccani)
- Baldassare Fontana (poln.)
- pl.Wikipedia, Baldassare Fontana
- Schloss Hohenaschau (D)
- Schloss Kroměříž (CZ)
- Karl II. von Liechtenstein-Kastelkorn
- Kirche St. Anna, Krakau (PL)
- cs.Wikipedia, Bazilika Velehrad (CZ)
- Svatý Kopeček (CZ)
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