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Pietro Antonio Solari
Architekt |
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geb. ca. 1443 | Carona (Vater: Guiniforte; Grossvater: Giovanni) |
gest. Mai 1493 | Moskau |
Pietro Solari war Architekt in Italien und Russland. Seine berühmtesten Bauten sind die Mauern und Türme des Kreml und der Facetten-Palast in Moskau.
Der Moskauer Kreml.
Rechts in der Mitte
der von Pietro Solari
erbaute Erlöserturm
am Roten Platz,
vorne der Fluss Moskwa
Man kann sich die Entstehungszeit seiner Bauten in Moskau, nämlich um 1490, leicht merken, denn es waren Jahre von weltgeschichtlicher Bedeutung: In Spanien übernahmen die katholischen Könige wieder die Herrschaft; Christoph Kolumbus entdeckte Amerika; Martin Behaim fertigte den ersten Globus; und Leonardo da Vinci malte sein berühmtes Wandgemälde Das Abendmahl.
Da kein Bildnis von Pietro Antonio Solari überliefert ist, sehen Sie oben das Portrait des Zaren Iwan der Große, der ihn 1487 nach Russland holte.
Herkunft und Ausbildung
Die Familie Solari aus Carona brachte zahlreiche bedeutende Architekten hervor. Sowohl Pietros Urgroßvater Marco als auch sein Großvater Giovanni Solari waren leitende Architekten des Doms von Mailand. Sein Vater Guiniforte wurde Hofarchitekt der Herzöge von Mailand aus der Familie Sforza.
Hier ein Beispiel des neuen Renaissancestils, den Guiniforte Solari in Florenz kennengelernt hatte und jetzt im Herzogtum Mailand einführte: das Kloster und die Kirche von Pavia, bekannt unter dem Namen Kartause von Pavia, deren Bauten er von 1453-1481 leitete.
Guiniforte Solari entwarf auch die Pläne für das Kloster und die Kirche Santa Maria delle Grazie in Mailand, wo Leonardo da Vinci 1494-1498 im Speisesaal des Klosters sein großes Wandbild Das Abendmahl schuf.
Die Lehrzeit verbrachte Pietro bei seinem Vater und dessen Bruder Francesco, ebenfalls Ingenieur und Architekt. So erhielt er Gelegenheit, beim Bau mehrerer Kirchen in Mailand mitzuwirken, darunter Santa Maria del Carmine, l'Incoronata und San Pietro in Gessate.
Natürlich kannte er auch die Festung der Herzöge von Mailand, das Castello Sforzesco, das ihm als Vorbild für die Kremlmauern diente.
Dieser Turm wurde vom berühmten Architekten Filarete (ca. 1400-1469) aus Florenz entworfen, der ab 1451 in Mailand tätig war und dort u.a. mit Pietros Vater Guiniforte zusammenarbeitete, zum Beispiel beim Bau des ersten Spitals in Mailand, des Ospedale Maggiore.
Einladung nach Russland
Im Jahre 1487 liess ihn Iwan der Große, seit 1442 Großfürst von Moskau und bald darauf erster Zar aller Russen
, durch seinen Botschafter in Mailand
nach Moskau holen. Iwan hatte das Staatsgebiet stark ausgeweitet und sich zum Ziel gesetzt, Moskau zum dritten Rom
zu machen - nach Rom und Byzanz (Konstantinopel, heute Istanbul), das 1453 unter türkische Herrschaft gefallen war. Seine Heirat mit der Nichte des letzten byzantinischen Kaisers, Sofia Palaiologos, sollte diesen Anspruch unterstreichen. Zur Modernisierung des Landes berief er Fachleute aus dem Ausland, z.B. Aristotele Fioravanti im Jahre 1475, der die Uspenskij-Kathedrale im Kreml errichtete, Marco Ruffo, der den Facettenpalast vollendete, Antonio Gilardi, den Erbauer des Wasserzugturms an der Kremlmauer (1488), und Aloisio Milanez (der Mailänder), Solaris Nachfolger.
Gemäß einer Chronik ließ Iwan der Große zwischen 1470 und 1505 allein in Moskau 25 Kirchen bauen. Neben der Architektur förderte er das Handwerk, die Wissenschaft, Kunst und Literatur.
Kremlmauern
Bis dahin war der Kreml, das Verwaltungszentrum des Reiches, aus Holz gebaut. Der Maler Apollinarij Wasnezow stellte ihn sich so vor:
Was wir heute sehen, ist der Befestigungsring aus Backstein mit 19 Türmen. Die Mauer hat eine Länge von 2,2 km, die Höhe schwankt zwischen 5 und 19 Meter und die Dicke zwischen 3,5 und 6,5 Meter. Oben verläuft ein 2 bis 4,5 Meter breiter Wehrgang, von dem aus sich rund 1000 Zinnen in Form von Schwalbenschwänzen erheben.
Kremlmauer, von der Troitzkij Brücke aus gesehen. Erbaut um 1490 von Pietro Solari und Mitarbeitern.
Den grössten Teil der Mauer errichtete Pietro Solari zusammen mit anderen italienischen oder Tessiner Baumeistern, von denen meist nur die Vornamen und die Bezeichnung Frjazin = Italiener überliefert sind, in den Jahren 1487-1493. Die westliche Mauer vollendete sein Nachfolger Alewiz (Aloisio) Frjazin.
Kremltürme
Der wohl bekannteste ist der Spasskij-Turm. Hier sehen Sie ihn auf einem Gemälde von Carlo Bossoli aus dem Jahre 1857.
Carlo Bossoli,
Der Rote Platz in Moskau,
1857.
Links die Basilius-Kathedrale,
rechts der Spasskij-Turm
Aus: Payot A.: Carlo Bossoli.
Luoghi, personaggi, costumi,
avvenimenti nell'Europa
dell'Ottocento,
visti dal pittore ticinese,
Turin 1974
Spasskij-Turm
Der Erlösertum (vom russ. spassitel - Erlöser) war und ist noch heute der Haupteingang zum Kreml. Bis zum 19. Jahrhundert durfte man ihn nur zu Fuss betreten, und die Männer mussten vor der Ikone an der Wand zum Roten Platz den Hut ziehen und sich verneigen.
Spasskij-Turm des Moskauer Kremls,
erbaut von Pietro Solari, 1491
Das Tor diente als Paradeeingang, von dem aus die Truppen in die Schlacht zogen und an dem hochrangige Besucher in Empfang genommen wurden. Als Napoleon nach der Einnahme Moskaus in den Kreml einziehen wollte, soll eine Windböe seinen Dreispitz vom Kopf geweht haben. Er hatte auch befohlen, beim Abzug des französischen Heeres den Turm abzubrennen, aber die herbeieilenden Don-Kosaken konnten das Feuer rechtzeitig löschen.
Durch Zufall wurde im Jahre 2010 die seit 1934 zugemauerte Ikone des Erlösers wiedergefunden und restauriert. Ihr Vorbild war diejenige von Smolensk aus dem Jahre 1514, mit den beiden Heiligen Sergius von Radonesch (ca. 1314-1392) und Barlaam von Chutyn (gest. 1192) zu Füssen Christi. Auf dem geöffneten Evangelium stehen die Worte: So spricht der Herr: Ich bin das Tor, wer durch mich hindurchgeht, wird gerettet.
Solari baute den Turm bis zu den Zinnen. Den oberen Teil fügte der russische Architekt Baschen Ogurzow hinzu, und die berühmte Uhr von 5 Meter Durchmesser fertigte um 1625 der schottische Ingenieur und Uhrmacher Christopher Galloway an. Auf die Spitze kam um 1650 der doppelköpfige Adler, das Wappen des russischen Reiches.
Oben am Spassky-Tor steht auf einer weissen Steinplatte in lateinischer Schrift:
IOANNES VASILII DEI GRATIA MAGNUS DUX VOLODIMERIAE, MOSCOVIAE, NOVOGORDIAE, TFERIAE, PLESCOVIAE, VETICIAE, ONGARIAE, PERMIAE, BUOLGARIAE ET ALIAS TOTIUSQ(UE) RAXIE D(OMI)NUS, A(N)NO 30 IMPERII SUI HAS TURRES CO(N)DERE F(ECIT) ET STATUIT PETRUS ANTONIUS SOLARIUS MEDIOLANENSIS A(N)NO N(ATIVIT) A(TIS) D(OM)INI 1491 K(ALENDIS) M(ARTIIS) I(USSIT) P(ONERE).
Iwan Wassiljewitsch, von Gottes Gnaden Grossfürst von Wladimir, Moskau, Nowgorod, Twer, Pskow, Wjatka, Jugorien, Perm, Bulgarien und weiterer Gebiete sowie Herrscher von ganz Russland, liess im Jahr 30 seiner Regierung diese Türme erbauen, die Pietro Antonio Solari aus Mailand errichtete. März 1491.
Nikolaus-Turm
Auch der Nikolaus-Turm am Roten Platz stammt ursprünglich von Solari, jedoch ohne die Spitze, die im 1806 nach einem Entwurf von Luigi Rusca aus Agno im neugotischen Stil hinzugefügt wurde.
Im weissen Feld über dem Toreingang wurde 2010 ebenfalls eine Ikone gefunden, die zugemauert worden war. Es handelt sich um das Bild des Hl. Nikolaus von Myra (ca. 270 - ca. 345), des populärsten Heiligen der orthodoxen Kirche und Schutzpatrons von Russland.
In der rechten Hand hält er ein Schwert zur Erinnerung an eine seiner vielen Wundertaten: er reißt dem Scharfrichter das Schwert aus der Hand und rettet so drei unschuldig Verurteilte vor dem Tod. Später werden auf seine Fürbitte hin drei Feldherren, die einer Intrige zum Opfer gefallen waren, kurz vor ihrer Hinrichtung begnadigt. In der linken Hand hält er die Bibel, die man hier nur mehr in Umrissen sieht, da sie während der Revolution von 1917 von Kugeln getroffen wurde.
Arsenal-Turm
In diesem 60 Meter hohen und mächtigsten aller Kremltürme gab es früher einen Brunnen, der die Festung mit Trinkwasser versorgte. Diese Aufgabe übernahm später der Wasserzugturm, erbaut 1488 von Antonio Gilardi aus Montagnola, in dem der uns bereits bekannte Christopher Galloway 1633 eine Pumpanlage installierte.
Borowitzkij-Turm
Borowitzkij-Turm
Dieser 1490 von Pietro Solari errichtete Eckturm bildet heute die Haupteinfahrt für Regierungsfahrzeuge und einen der zwei Eingänge für Besucher. Die Spitze wurde wie bei allen Türmen später aufgesetzt.
Facettenpalast
Noch aus einem anderen Grund nimmt Pietro Solari einen wichtigen Platz in der Architekturgeschichte Russlands ein: 1487 erteilte ihm Iwan der Große den Auftrag, innerhalb der Kremlmauern einen Palast aus Stein zu errichten, denn die bisherigen Holzbauten wurden häufig von Feuersbrünsten heimgesucht.
Facettenpalast im Moskauer Kreml, erbaut von Pietro Solari und Marco Ruffo, um 1490
Seinen Namen erhielt das Gebäude aus weissem Kalkstein von der Ostfassade, die dem Platz mit den drei Kathedralen zugewandt ist. Erinnern Sie sich an die pyramidenförmig behauenen Steine am Diamantenplast in Ferrara?
Detail des Palazzo dei Diamanti in Ferrara (I)
Facettenpalast im Moskauer Kreml, Fensterdetail
Fertiggestellt wurde der Palast im Jahre 1492 und diente fortan als die wichtigste Räumlichkeit für Empfänge des Zaren, Krönungsfeiern, Festmähler und Staatsakte. So feierte zum Beispiel Zar Iwan IV. der Schreckliche 1552 drei Tage lang seinen Sieg über die Tataren des Khanats Kasan und Peter der Große den Sieg über die Schweden in der Schlacht bei Poltawa im Jahre 1709.
Familie und Nachfolger
Der in einem Mailänder Dokument als architectus generalis Moscovie
bezeichnete Pietro Antonio Solari starb im Mai 1493 in Moskau. Es ist anzunehmen, dass er keine Kinder hatte, denn im November des gleichen Jahres wurde seine Mutter mit der Verwaltung des Nachlasses betraut. Leider konnte er die Erfolge seines Cousins zweiten Grades, des Malers
Andrea Solari, nicht mehr erleben.
Die Arbeiten an den Kremltürmen und am Facettenpalast vollendeten Marco Ruffo und Alewiz Milanez (Aloisio der Mailänder), deren genaue Herkunft noch nicht ermittelt werden konnte. Letzterer baute 1499-1508 auch den großen Kremlpalast, und ab 1504 errichtete ein gewisser Alewiz Novij die Erzengel-Michael-Kathedrale (Archangelskij sobor) im Kreml. Gemäß Karpova Fasce handelt es sich um den venezianischen Architekten Aloisio Lamberti da Montagnano.
Literatur
-
Karpova Fasce E., Gli architetti italiani a Mosca nei secoli XV-XVI, Quaderni di Scienza della Conservazione, Bologna, vol. 4, 2004, pp. 157-181
- Lasareff V., Le opere di Pietro Antonio Solari in Russia ed i rapporti artistici italo-russi nel tardo Quattrocento, in Arslan E. (Hrsg.): Arte e artisti dei laghi lombardi, Noseda Ed., Como 1959
- Svidkovskij D., Russian architecture and the West, Yale University Press, New Haven, USA, 2007
- Svidkovskij D., Belgiojoso M., Zanardi Landi S. (Hrsg.): Mille anni di architettura italiana in Russia, Ed. Allemandi, Mailand, 2013
Links
- Pietro Antonio Solari
- Foreigners in Russia, Pietro Antonio Solari
- Zar Iwan der Große
- Aristotele Fioravanti
- Der Moskauer Kreml
- Mauern und Türme des Moskauer Kremls
- Das Mailänder Schloss
- en.Wikipedia, Spasskij-Turm
- en.Wikipedia, Christopher Galloway
- Facettenpalast im Kreml
© U. Stevens 2013 / 2015