a b c d e f g h i j k l m n o p q r s t u v w x y z
Carlo Fontana
Architekt |
|
geb. 1638 |
Rom? (Vater: Francesco aus Novazzano; Großvater: Marsilio; Mutter: Cecilia Pizzolamore aus Como) °° 1663 in Rom Catarina de' Bianchi |
gest. 5.2.1714 | Rom |
Portrait des Architekten Carlo Fontana
Aus: Johann Kaspar Füssli, Geschichte der besten Künstler in der Schweiz, Band 4, Orell 1774
Carlo Fontana war Architekt in Rom. Er ist der vierte und letzte der großen Baumeister aus dem Tessin, die das Bild der Stadt prägten: angefangen von Domenico Fontana (1543-1607) über Carlo Maderno (1556-1629) bis zu Francesco Borromini (1599-1667). Mit Carlo Fontana geht auch die Zeit des Barock mit seinen geschwungenen und reich verzierten Fassaden zu Ende. Bald werden die Formen strenger und kehren zu den klassischen geraden Linien zurück. Ein Beispiel für diese späte Phase des Barock ist seine Fassade der Kirche San Marcello al Corso in Rom.
Carlo Fontana war nicht nur ein vielseitiger Architekt, Stadtplaner und Ingenieur, sondern gab seine Erfahrungen auch großzügig an zahlreiche Schüler weiter. Einige von ihnen erlangten nördlich der Alpen Berühmtheit: Lucas von Hildebrandt und Bernhard Fischer von Erlach in Österreich, Matthäus Daniel Pöppelmann in Deutschland, James Gibbs in England und Nicodemus Tessin d.J. in Schweden. Sie werden am Schluss dieser Biographie mit je einem Werk kurz vorgestellt.
Herkunft und Ausbildung
Carlo stammte aus der weit verzweigten Familie Fontana aus Brusata, einem Ortsteil von Novazzano im Südtessin. Dort wurde am 9.3.1604 sein Vater Francesco geboren und am 9.2.1634 sein Bruder Giovanni Battista
(Taufregister Novazzano 1562-1646, Filmrolle 156.08 im Diözesanarchiv Lugano). Danach sind keine Kinder von Francesco und Cecilia in Novazzano mehr registriert, sodass anzunehmen ist, dass Carlo und seine jüngere
Schwester Costanza in Rom geboren wurden (das Geburtsdatum 22.4.1638 in Rancate bzw. in der Pfarrei Riva San Vitale, zu der Rancate bis 1688 gehörte, konnte nicht nachgewiesen werden).
1653 wurde Carlo Fontana in Rom Schüler eines gewissen Giovanni Maria Bolino. Im Vorwort zu seiner Publikation Utilissimo trattato delle acque correnti (Rom 1696) schreibt Carlo, sein erster Lehrer sei Giovanni Maria Bolino gewesen, auch er ein Tessiner, Architekt und Vermessungsingenieur in Rom. Nachforschungen ergaben, dass unweit von Novazzano, im Dorf Riva San Vitale, mehrere Familien namens Bolina in der Zeit um 1600 Kinder hatten (die Kirchenbücher beginnen 1596). Giovanni Maria scheint aber vor 1596 geboren zu sein, denn bereits 1624-1626 wird er beim Bau des Palazzo Borghese im Zentrum von Rom erwähnt, an dem auch Carlo Maderno aus Capolago, dem Nachbardorf von Riva San Vitale, beteiligt war (siehe dessen Biographie auf dieser Webseite).
Bei seinem Lehrer erhielt Carlo nach eigenen Angaben eine umfassende Ausbildung auch im Ingenieurwesen, was ihm später sehr zugute kommen sollte. Da Bolino Mitarbeiter von Pietro da Cortona und Carlo Rainaldi war, ist es nicht verwunderlich, dass Carlo seine Laufbahn als Assistent dieser beiden Architekten begann.
Kirche Santa Maria della Pace
in Rom,
Umbau und Fassade
von Pietro da Cortona
und Carlo Rainaldi,
1657-1658
Stich von Giuseppe Vasi, 18. Jh.
Carlo Rainaldi, bei dem Fontana 1661-62 dokumentiert ist, arbeitete seinerseits oft mit Gian Lorenzo Bernini zusammen, dem bedeutendsten Architekten jener Zeit in Rom. In der Tat nahm Carlo Fontana in den folgenden 10 Jahren an zahlreichen Projekten Berninis teil und spielte dank seines versöhnlichen Charakters eine wichtige Rolle als Vermittler zwischen den manchmal unterschiedlichen Entwürfen der beiden Meister.
Ein Beispiel für solch ein gemeinsames Projekt mit Bernini und Rainaldi sind die zwei Kirchen an der Piazza del Popolo in Rom.
Rom, Piazza del Popolo, Basilika Santa Maria di Montesanto und Santa Maria dei Miracoli (rechts), erbaut von Carlo Rainaldi, Gian Lorenzo Bernini und Carlo Fontana 1662-1679
1665 machte Fontana einen ersten selbständigen Entwurf für die Kirche Santa Rita da Cascia (früher San Biagio) im Stadtteil Sant'Angelo. Sie hat einen ähnlichen Grundriß - in Form eines griechischen Kreuzes mit einer Kuppel - wie die beiden oben gezeigten Kirchen auf der Piazza del Popolo. Heute wird sie für Tagungen, Vorträge und Konzerte genutzt.
Auf diesen alten Stichen und Fotos sieht man ihre Lage zu Füßen der Treppe Aracoeli.
Kirche Santa Rita da Cascia, Rom
Wichtigste Werke
Für die um 1520 erbaute Kirche San Marcello al Corso entwarf Carlo Fontana eine spätbarocke, leicht geschwungene Fassade, die zum Vorbild für viele Kirchen nicht nur in Italien, sondern auch nördlich der Alpen wurde.
In München, zum Beispiel, mag sie Giovanni Antonio Viscardi zur Fassadengestaltung der Dreifaltigkeitskirche inspiriert haben, die ebenfalls zwischen Häusern eingeklemmt ist.
Ospizio Apostolico San Michele
Am alten Hafen von Rom sollte auf Wunsch der Päpste Innozenz XI. und Clemens XII. ein Gebäudekomplex für soziale Einrichtungen entstehen: Armenspital, Waisenhaus, Handwerksbetriebe zur Ausbildung arbeitsloser Jugendlicher, Altersheim und verschiedene Gefängnisse, alles angeordnet um eine Kirche. Auftraggeber war die Kurie, die in Rom und im ganzen Territorium des Kirchenstaates auch für die Verwaltung und für zivile Bauten zuständig war. Carlo Fontana war bereits 1666 zum Misuratore e stimatore di tutti gli edifizi della Camera apostolica in Roma e per lo Stato Pontificio
ernannt worden. Daher spielte er auch bei der Planung dieser riesigen Anlage eine leitende Rolle. Auf einem Stich von Giovanni Battista Piranesi sieht man die Ausmaße.
Ospizio Apostolico San Michele, Innenhof des Altersheims, erbaut von Carlo Fontana und Mattia de Rossi 1709
Im zweiten Weltkrieg dienten die Gebäude als Kasernen, 1969 erwarb sie der italienische Staat. Heute beherbergen sie das Amt für Denkmal- und Umweltschutz des Kulturministeriums und Ateliers zur Restaurierung von Kunstwerken.
Basilika in Loyola, Spanien
Im nordspanischen Baskenland beabsichtigten die Jesuiten, am Geburtsort ihres Ordensgründers Ignatius von Loyola (1491-1556) ein großes Kloster zu errichten. Carlo Fontana wurde beauftragt, dafür zwei Flügel und eine
Basilika mit einer 150 m langen Fassade und einer Kuppel zu entwerfen.
Mit dem Bau wurde 1689 begonnen. Fontana selbst fuhr nie nach Loyola, sondern überließ die Ausführung lokalen Bauleitern.
Besonders imposant ist die Kuppel mit 24 m Durchmesser und 65 m Höhe.
Die Basilika mit ihrer reichen Innendekoration hatte großen Einfluss auf die Barockarchitektur nicht nur in Spanien, sondern auch in Südamerika.
Kapellen und Grabmäler in römischen Kirchen
Besonders geschätzt wurde Carlo Fontana für seine Fähigkeit, in bereits bestehende Kirchen Kapellen einzubauen, die von wohlhabenden Adeligen oder Geistlichen gestiftet wurden. Hier sind zwei Beispiele:
Die Kapelle beherbergt die Gräber der Kardinäle Lorenzo und Alderano Cybo.
Auf Wunsch von Clemens XI. (Papst 1700-1721) aus der Familie Albani baute Fontana eine Kapelle in einer der sieben Kirchen, die auf dem Pilgerweg lagen.
Kapelle Albani in der Kirche San Sebastiano fuori le mura in Rom, erbaut von Carlo Fontana 1706-1712
Ferner machte Carlo Entwürfe für Grabmäler, z.B. für Königin Christina von Schweden (1626-1689) und Innozenz XII. (Papst 1691-1700) im Petersdom.
Zum Abschluß sehen Sie noch den Brunnen, den Carlo Fontana auf Wunsch des Architekten der Kolonnaden, Gian Lorenzo Bernini, auf der linken Seite des Petersplatzes errichtete. Es ist eine Kopie des 1614 von Carlo Maderno aufgestellten Brunnens auf der rechten Seite, sodass sich - zusammen mit dem Obelisken in der Mitte - eine harmonische Gesamtwirkung ergibt.
Brunnen mit einer Höhe von 14 m auf der linken Seite des Petersplatzes, errichtet von Carlo Fontana 1677
Schüler und Nachfolger
1686 wurde Carlo Fontana zum Principe der Akademie San Luca in Rom gewählt und dann nochmals für die Jahre 1692-1700, ein Zeichen dafür, dass er sich großer Wertschätzung und Beliebtheit erfreute.
Carlo leitete ein gut organisiertes, fast modern anmutendes Atelier mit bis zu acht Schülern gleichzeitig, in dem auf sorgfältige Zeichnung und geometrische Berechnungen großer Wert gelegt wurde. Wertvolle Hilfsmittel waren dazu seine Zeichnungen, die als Drucke weite Verbreitung fanden. Gerade diese gute Organisation und die Vielfalt der Aufgabenstellungen zog Schüler nicht nur aus Italien an (siehe Anhang).
Von den zahlreichen Publikationen, in denen er seine Bauprojekte zu didaktischen Zwecken erläuterte und illustrierte, ist die umfangreichste Templum Vaticanum, erschienen 1694. Auf 489 Seiten schildert er darin die Geschichte des Petersdoms von den ersten Anfängen an. Man kann es von der ETH Bibliothek Zürich herunterladen:
Templum Vaticanum et ipsius origo
Familie
Der 1668 geborene Sohn Francesco wurde ebenfalls Architekt. Als engster Mitarbeiter unterstützte er seinen Vater insbesondere bei der Leitung der Accademia di San Luca und der Ausbildung und Förderung der Studenten. Leider starb Francesco relativ jung mit 40 Jahren.
Auch Carlos zwei Neffen, Söhne seines älteren Bruders Giovanni Battista, traten in seine Fußstapfen. Girolamo (1665-1701), schuf u.a. die Fassade des Doms in Frascati unweit von Rom, dessen Inneres bei einem Bombenangriff am 8. September 1943 völlig zerstört wurde.
Der andere Neffe, Carlo Stefano (ca. 1675-1740) schuf u.a. diese elegante Fassade mit einer Vorhalle für die Basilika San Clemente al Laterano.
Carlo Fontanas jüngere Schwester Costanza, geb. ca. 1644, heiratete den Stuckateur Antonio Roncati (ca. 1638-1712) aus Meride im Tessin, der in Rom arbeitete.
Carlo Fontana starb am 5. Februar 1714 in seinem Haus in der via Alessandrina. Er wurde in der Kirche San Lorenzo ai Monti begraben, die 1931 beim Bau der Straße zu den Kaiserforen abgerissen wurde.
Literatur
- Ausführliche Literaturverzeichnisse finden sie unter
it.Wikipedia, Carlo Fontana
Carlo Fontana (Treccani) - Vom 22.-24. Oktober 2014 fand in der Biblioteca Hertziana in Rom eine internationale Tagung über Carlo Fontana statt. Die Abstracts sind als PDF verfügbar.
Convegno Internazionale, Carlo Fontana 1638-1714
Links
- Carlo Fontana
- Carlo Fontana (Treccani)
- it.Wikipedia, Kirche Santa Maria della Pace, Rom
- it.Wikipedia, Kirche Santa Rita da Cascia, Rom
- Kirche San Marcello al Corso, Rom
- it.Wikipedia, Ospizio Apostolico di San Michele, Rom
- es.Wikipedia, Jesuitenkloster in Loyola, Spanien
Anhang
Berühmte Schüler von Carlo Fontana
Johann Bernhard Fischer von Erlach (Graz 1656-1723 Wien)
Karlskirche in Wien,
erbaut von
Bernhard Fischer von Erlach
1716-1723,
fertiggestellt von seinem Sohn
1723-1737
Johann Lucas von Hildebrandt (Genua 1668-1745 Wien)
Matthäus Daniel Pöppelmann (Herford 1662-1736 Dresden)
James Gibbs (Aberdeen 1682-1754 London)
Nicodemus Tessin der Jüngere (Nyköping 1654-1728 Stockholm)
Nicola Michetti (Venedig 1675-1758 Rom)
Filippo Juvarra (Messina 1678-1736 Madrid)
Links
- Johann Bernhard Fischer von Erlach
- Johann Lucas von Hildebrandt
- Matthäus Daniel Pöppelmann
- James Gibbs
- Nicodemus Tessin d.J.
- it.wikipedia, Nicola Michetti
- Filippo Juvarra
© 2015 M.T. Teoldi und U. Stevens