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Pietro Maino Maderno
Steinmetz und Bildhauer | |
geb. ca. 1592 | Bissone |
(Vater: Andrea) °° I. Catarina Carlone aus Rovio °° II. Victoria Bregno, Witwe des Stefano Bregno aus Osteno (I) °° III. Cristina Spazzi, Witwe des Pietro Spazzi aus Lanzo d'Intelvi (I) |
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gest. 15. März 1653 | Moosbrunn bei Wien (A) |
Pietro Maino Maderno war kaiserlicher Hofsteinmetz und Bildhauer und einer der führenden Köpfe der Bruderschaft von Kaisersteinbruch
, einer Künstlerkolonie in der Nähe von Wien, der zahlreiche Familien aus dem
Tessin und dem angrenzenden Val d'Intelvi (I) angehörten. Seine Auftraggeber waren der Kaiserhof in Wien, die Fürsten Liechtenstein und Dietrichstein im heutigen Tschechien sowie die Grafen Esterházy, Pállfy und
Lippay im heutigen Ungarn. 1649 wurde er von Kaiser Ferdinand III. für seine künstlerischen Leistungen in den Adelsstand erhoben und durfte sich Ritter
nennen.
Da kein Bildnis von Maderno überliefert ist, sehen Sie hier seinen ersten Auftraggeber, Kaiser Ferdinand II. (reg. 1619-1637), der gleichzeitig König von Böhmen und Ungarn war.
Herkunft und Ausbildung
Die Familie Maderno in Bissone ist ein Zweig der seit dem 14. Jahrhundert in Capolago am Südende des Luganersees dokumentierten Familie. Dieser Verwandtschaft ist es wohl zu verdanken, dass der junge Pietro nach einer fünfjährigen Lehrzeit (1605-1610) beim Steinmetz Antonio Tencalla aus Bissone in Kaisersteinbruch bei Wien zum Architekten Carlo Maderno nach Rom geschickt wurde. Zwei Jahre lang durfte er diesem über die Schulter schauen, insbesondere beim Entwurf und Bau der Fassade des Petersdoms.
Petersdom in Rom,
Fassade von Carlo Maderno,
1607-1612
Offenbar neigte Pietro jedoch mehr zur Bildhauerei als zur Architektur und entschloß sich, nach Österreich zurückzukehren. Dort boten sich unter Kaiser Matthias - der eben 1612 seine Residenz von Prag nach Wien verlegt
hatte - neue Arbeitsmöglichkeiten, besonders für Künstler, die den modernen
römischen Stil kannten. Von Kaisersteinbruch aus nahmen ihn die Steinmetzmeister Antonio Bregno und Andrea Ruffini, beide ebenfalls vom
Luganersee stammend, mit nach Wien, um bei der Ausschmückung der Amalienburg, einem Teil der Wiener Hofburg, mitzuwirken. Für Säulen, Treppen, Gesimse, Portale und Brunnen verwendeten sie den Kalkstein aus dem oben genannten Steinbruch, der eine marmorähnliche Struktur hat und
große Kunstfertigkeit bei der Bearbeitung erfordert.
Samuel van Hoogstraten, Amalienburg, 1652, Kunsthistorisches Museum Wien
Anschließend erwarb sich Pietro den Meistertitel und machte noch eine Zusatzausbildung als Bildhauer. Sein Lehrer in Kaisersteinbruch war Antonio Crivelli aus Lugano.
Arbeiten in Tschechien
Casa Santa in Mikulov
Die Anfänge von Pietros Laufbahn sind vom Ausbruch des 30-jährigen Krieges (1618-1648) überschattet. Wegen der steigenden Militärkosten musste der Hof in Wien die Bautätigkeit einschränken, jedoch gab es in
Böhmen und Mähren, dem heutigen Tschechien, einige Adelsfamilien, die trotz allem ihre Schlösser modernisieren und verschönern wollten. Zum Beispiel Fürst Franz von Dietrichstein, für den Pietro in Nikolsburg, heute
Mikulov nahe der österreichischen Grenze, eine Casa Santa mit architektonischen Elementen und Figuren schmücken sollte. Da sie einen Brand im Jahre 1787 nicht überstand, können wir hier nur einen Stich zeigen.
Die Casa Santa
in der Kirche St. Anna,
Mikulov (CZ),
Stich von Melchior Küssel,
1763
Mehr über diese anfangs freistehende Casa Santa und die ein paar Jahre später darüber errichtete Kirche erfahren Sie in der Biografie des Architekten Giovanni Giacomo Tencalla auf dieser Webseite.
Schloss Lednice
Ein weiterer Auftraggeber im heutigen Tschechien waren die Fürsten von Liechtenstein. Sie liessen rund um ihre Sommerresidenz in Eisgrub, heute Lednice, einen prächtigen Garten mit Skulpturen anlegen, für den Pietro Balustraden,
zwanzig Figuren und elf Brunnen mit Wasserspielen schuf. Leider blieb jedoch von all seinen Arbeiten nur dieser phantasievolle Venezianer-Brunnen
erhalten. Neu daran war, dass neben Stein auch Metall verwendet wurde.
Pietro Maino Maderno, Brunnen im Schlosspark Lednice (CZ), 1635
Dank den detaillierten Aufzeichnungen des Fürstenhofs sind nicht nur die genauen Maße der Brunnen überliefert, sondern auch Pietros Honorar: 1650 Rheinische Gulden, freie Unterkunft und Naturallohn in Form von Getreide, Wein, Schmalz, Käse und Holz.
Schloss Bučovice
Ebenfalls für ein Mitglied der Familie von Liechtenstein schuf Pietro diesen Bacchus-Brunnen im Renaissance-Innenhof von Schloss Bučovice nahe der mährischen Hauptstadt Brno/Brünn.
Pietro Maino Maderno,
Bacchus-Brunnen
im Schloss Bučovice (CZ),
ca. 1635-1637
Dank der Restaurierung im Jahre 2002 sprudelt jetzt wieder zu jeder Stunde Wasser aus den Drachenköpfen über den geflügelten Nixen. Oben drückt ein trunkener Bacchant einen prall gefüllten Weinschlauch fest an sich.
Arbeiten in der Slowakei
Die günstige Lage des Kaisersteinbruchs im Westen Ungarns nutzten die umliegenden Adelshäuser für ihre Bauvorhaben und nahmen Pietro gerne in ihre Dienste.
Gartenpalais des Grafen Pállfy in Bratislava
Bratislava, damals Pressburg genannt und ca. 50 km östlich von Wien gelegen, war zu Pietros Zeit Hauptstadt von Ungarn und Krönungsort der ungarischen Könige. Hoch über der Donau thront heute noch die Burg,
Residenz vieler Habsburger Könige und Kaiser.
Schlosshauptmann Graf Paul IV. Pálffy beauftragte 1635 den kaiserlichen Hofarchitekten Giovanni Battista Carloni aus Scaria im Val d'Intelvi (I), die Burg zu restaurieren, die während der Belagerung durch protestantische Truppen schwer gelitten hatte. Gleichzeitig nutzte er die Anwesenheit Carlonis, um sich von ihm ein eigenes Palais gleich unterhalb der Burg errichten zu lassen.
Burg und Palais Pálffy
mit Garten,
Stich von M. Engelbrecht
und F.B. Werner, 1735
Als ausführender Baumeister wurde der Graubündner Giovanni Albertalli aus Roveredo (CH) verpflichtet. Pietro war für die Steinmetzarbeiten in beiden Bauten zuständig und ließ dafür große Mengen des marmorähnlichen Kaisersteins herbeischaffen. Im Garten kreierte er mehrere Springbrunnen als Teil der Wasserspiele und Grotten, die - wie der ganze Palast - leider nicht erhalten sind. Eine besondere Attraktion war neben zahlreichen exotischen Bäumen eine Linde, die wie eine Pagode bestiegen werden konnte. Sie ist auf dem Bild links zu sehen.
Burg Ćervený Kameň
Der erwähnte Graf Pálffy empfahl Pietro auch an seinen Bruder Stephan, den Besitzer der Burg Ćervený Kameň unweit von Bratislava, wo 1646 diverse Steinmetzarbeiten auszuführen waren. Ein paar Jahre später, 1655,
schmückte der Maler Carpoforo Tencalla aus Bissone dort mehrere Räume mit Fresken.
Erzbischöflicher Sommerpalast in Bratislava
Ehemaliger Erzbischöflicher Sommerpalast, Umbau 1761- 1765, heute Sitz der slowakischen Regierung
1647 erhielt Pietro vom Erzbischof von Ungarn, Graf Georg Lippay, den Auftrag, im 92.000 qm großen Garten rund um seine Sommerresidenz verschiedene Springbrunnen, Grotten und Pavillons zu errichten.
Gartenpalast
des Grafen Lippay und Park,
Stich von Mauritz Lang, 1663
Leider konnte dieser kostspielige Pressburger Garten
nur 20 Jahre lang gepflegt werden, und von Pietros Kreationen blieb einzig dieser Brunnen des Hl. Georg mit dem Drachen erhalten. Er steht heute am Amtssitz des Bürgermeisters von Bratislava.
Pietro Maino Maderno, St. Georgs-Brunnen, Bratislava (SK), 1647-1648
Foto: Helmuth Furch
Die Symbolik ist angesichts des 30-jährigen Religionskrieges zwischen Katholiken und Protestanten nicht zu übersehen: Erzbischof Georg bezwingt den Drachen ….
Arbeiten in Österreich
Stiftskirche Klosterneuburg bei Wien
Die ursprünglich gotische Stiftskirche von Klosterneuburg wurde in den Jahren 1634-1645 innen und außen völlig umgestaltet. Am Werk waren drei Architekten aus dem Val d'Intelvi (I), Andrea Retti und Giovanni Giacomo Spazzi, beide aus Laino, sowie Giovanni Battista Carloni aus Scaria. Für die Steinmetzarbeiten (Böden, Stufen, Wandplatten, Säulen, Kapitelle, Gewölbe, Ornamente und figürliche Dekorationen) wurde Pietro Maino Maderno verpflichtet. Er war mit zwei Bildhauern, 23 Gesellen mit abgeschlossener Ausbildung, drei Lehrlingen, 10 Steinbrechern und 12 Tagelöhnern angereist. Zuerst schufen sie einen neuen Nordturm im gotisierenden Stil, den Sie hier links sehen.
Pietro Maino Maderno,
Steinmetzarbeiten am linken Turm
der Stiftskirche Klosterneuburg,
Aquarell von Friedrich von Schmidt,
1874, Stiftsmuseum Klosterneuburg
(1893 erhielten die Türme
ihre heutige Gestalt)
Dann verwandelten sie den Innenraum in eine Saalkirche mit Seitenaltären. Über der Westempore errichteten sie ein Kreuzgewölbe, unter dem eine Orgel eingebaut wurde. Die Gewölbedecke und die Orgelbrüstung wurden u.a. von zwei Stuckateuren aus dem Val d'Intelvi (I) verziert, Andrea Bertoletti aus Verna und Carlo Passerini aus Ramponio.
Pietro Maino Maderno,
Westempore der Stiftskirche
Klosterneuburg, 1644
Auf der Orgel spielte übrigens der Komponist und Orgelvirtuose Anton Bruckner (1824-1896).
Familie und Freunde
Pietro lebte sowohl in Kaisersteinbruch als auch in Wien, dessen Bürgerrecht er besaß. 1635 erwarb er das Haus seines Bildhauer-Lehrers Antonio Crivelli in Kaisersteinbruch, und 1644 kaufte er in der Wiener Vorstadt das Gehöft
Zur blauen Andten (Ente)
. Seinen Steuerleistungen nach galt er als wohlhabender Unternehmer.
Wichtig für Pietros Karriere waren zweifellos seine besten Freunde - die Tencallas und die Carloni: Antonio Tencalla war sein Lehrmeister, Giovanni Giacomo Tencalla holte ihn nach Mähren und war dort Taufpate eines
Sohnes, viele Aufträge verdankte er Giovanni Battista Carloni und dessen Neffen Domenico Carloni. In der Künstlerkolonie Kaisersteinbruch spielte er eine wichtige Rolle als geschickter Verhandlungspartner mit dem Wiener Hof
und mit hochrangigen Auftraggebern. Trotz seiner häufigen Reisen widmete er sich der Ausbildung von Gesellen und hatte während ein paar Jahren auch das Ehrenamt eines Richters inne, denn Streitigkeiten blieben auch in einer
Bruderschaft
nicht aus.
Pietro war dreimal verheiratet. Dass er nach dem Tod seiner ersten Frau Catarina zweimal eine Witwe heiratete, war unter Zunftbrüdern nicht unüblich, weil somit die Anteile am Steinbruch der Gemeinschaft erhalten blieben. Pietro war Vater von vermutlich acht Kindern, von denen die Söhne Jacobus und Pietro in seine Fußstapfen traten. Seine Tochter Veronica heiratete 1642 in Bissone den Architekten Francesco Caratti.
Pietro Maino Maderno starb 1653 bei seinem Sohn Andrea, Pfarrer in Moosbrunn bei Wien. In seinem Testament werden als Erben die vier Söhne Andrea, Jacobus, Nikolaus und Domenicus genannt. Das Haus in Wien verkaufte Andrea als Testamentsvollstrecker an den Baumeister Domenico Carloni. Den Besitz in Kaisersteinbruch - Steinbruch und Gehöft - erwarb sein Neffe Ambrosius Ferretti. Pietros dritte Frau Cristina dürfte vor ihm gestorben sein, da sie im Testament nicht erwähnt wird.
Unterschrift von
Pietro Maino Maderno
unter einer Auszahlung,
1641, Stiftsarchiv
Klosterneuburg
Literatur
- Furch H., Meister Peter Maderno, in: Mitteilungen des Museums- und Kulturvereins Kaisersteinbruch, Nr. 25, 1993, S. 7–26, sowie Pietro Maino Maderno, Nr. 34, 1994, S. 6–26
- Fidler P., Architektur des Seicento. Baumeister, Architekten und Bauten des Wiener Hofkreises, Habilitationsschrift, Innsbruck 1990
- Haupt H., Von der Leidenschaft zum Schönen, Fürst Karl Eusebius von Liechtenstein, 1611-1684, Böhlau Verlag, Wien 1998
- Fidler P., Die Bautätigkeit der Familie Pálffy im 17. Jahrhundert und der Umbau des Schlosses Bibersburg - Červený Kameň, in ARS 23/24, Bratislava 1994
Unser Dank geht an Herrn Mag. Fabio Gianesi vom Museums- und Kulturverein Kaisersteinbruch und Frau Mag. Dobromila Brichtová vom Regionalmuseum Mikulov für ihre wertvollen Beiträge.
Links
- Pietro Maino Maderno
- Steinmetz
- Hofburg / Amalienburg in Wien
- Dietrichstein (Adelsgeschlecht)
- Haus Liechtenstein (Adelsgeschlecht)
- Burg Bratislava (SK)
- Burg Červený Kameň (CZ)
- Stift Klosterneuburg bei Wien
© E. Mitterhuber / U. Stevens 2016