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Pier Francesco Mola
Maler |
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geb. 9. 2. 1612 |
Coldrerio (Vater: Giovanni Battista; Mutter: Elisabetta Cortesella) |
gest. 13. 5. 1666 | Rom |
Portrait: Pier Francesco Mola, Selbstbildnis, Uffizien, Florenz
Pier Francesco Mola war Maler in Rom. Er wurde vor allem für seine Ölgemälde geschätzt, in denen er der Landschaft gleich viel Raum beimass wie den Figuren. Er gehörte - neben den fast gleichaltrigen Franzosen Nicolas Poussin und Claude Lorrain - zu den ersten, die versuchten, die Natur und die Atmosphäre, das Spiel von Licht und Schatten in die Komposition einzubeziehen. Es war eine völlig neue Art zu malen: spontaner, natürlicher, freier in der Wiedergabe der eigenen Gefühle.
Die harmonischen Kompositionen und die warmen Farben sprachen nicht nur die kirchlichen und weltlichen Auftraggeber an, sondern auch ausländische
Kunstfreunde, die auf ihrer damals modischen Grand Tour
Bilder für ihre Residenzen erstanden. Besonders oft sah man englische Adelige, die auf
dem Kunstmarkt an der Piazza Navona in Rom direkt bei den Malern Gemälde erwarben oder bestellten. So ist es nicht verwunderlich, dass zahlreiche Molas
in England zu finden sind, aber auch in großen Museen wie dem Louvre in Paris, der Eremitage in St. Petersburg und dem Kunsthistorischen Museum in Wien.
Familie und Ausbildung
Pier Francesco kam aus einer kinderreichen Familie: er hatte eine ältere Schwester, Aurelia, geb. 1608 in Coldrerio, und sieben weitere Geschwister kamen in Rom zur Welt, wo sich sein Vater Giovanni Battista und der Onkel Giacomo Mola niedergelassen hatten. Beide waren Baumeister im Dienste des Kirchenstaats mit dem Titel Architetto della Camera Apostolica
, wobei ihr Arbeitsgebiet sich über das heutige Mittelitalien bis Bologna mit den Regionen Latium, Marken, Umbrien und Romagna erstreckte.
Leider sind die meisten Bauten der beiden Architekten Mola entweder zerstört oder stark verändert, nur einige Zeichnungen befinden sich in Museen in London, Oxford und New York. Im hohen Alter stellte Giovanni Battista Mola noch einen Kunstführer von Rom zusammen, der 1663 erschien und bis heute eine wertvolle Hilfe für die Rekonstruktion des damaligen Stadtbildes ist.
Aus den Aufzeichnungen seines Vater geht hervor, dass Pier Francesco seine Lehrzeit bei einem Freund der Familie, Giuseppe Cesari, genannt Cavalier d'Arpino, begann, der ein großer Maler in Öl, Fresko und Tempera, sowohl im Großen wie im Kleinen
sei. Die Vorbilder des Cavalier d'Arpino waren Raffael und Michelangelo, deren Techniken er an seine zahlreichen
Schüler weitergab.
Ein Wendepunkt in Molas Ausbildung trat 1628 ein, als Papst Urban VII. seinen Vater beauftragte, in Castelfranco Emilia eine Festungsanlage, das spätere Forte Urbano zu bauen, und die Familie nach Bologna zog. Eben dorthin war gerade ein berühmter Maler nach einer langen römischen Karriere zurückgekehrt: Francesco Albani. Er nahm den erst 16-jährigen Pier Francesco als Schüler und vermittelte ihm die Ideen seines eigenen Lehrers, Annibale Carracci. Dessen phantasievolle Fresken im Palazzo Farnese inspirierten eine ganze Generation von Malern zu einer spontaneren, leichteren, natürlicheren Malweise. Albani war überhaupt einer der ersten Landschaftsmaler in Italien.
Bei Johann Caspar Füssli lesen wir dazu in seiner 1774 publizierten Geschichte der besten Künstler in der Schweiz: Albani, der bei dem Jüngling einen großen Geist und sehr angenehme Sitten bemerkte, bot ihm seine Tochter zur Frau an: Mola aber konnte sich nicht zur Heirat entschliessen, und begab sich nach Venedig, Guercino zu sehen, und seine Art zu malen zu untersuchen. Er fand sie so stark und lebhaft, und seiner Einbildung so gemäß, daß er sich aus derselben, und Bassanos und Titians Werken, einen eigenen Geschmack bildete. Allein Guercinos Eifersucht veranlaßte ihn zu einer dritten Reise, und Rom ward seine Zuflucht; daselbst zeigte er die neue Art, die er von Venedig gebracht hatte, und machte sich einen großen Namen.
Um 1635 beginnt Mola selbständig zu malen, wenn auch noch stark unter Albanis Einfluß. Es entstehen u.a. Der Tod des Archimedes in der Sammlung Andrea Busiri Vici in Rom und die Anbetung der Hirten im Kunsthistorischen Museum Wien.
Das erste genau datierbare Werk sind die Fresken in der Karmeliter-Kapelle in Coldrerio, die er gemäß Abrechnungen 1641-42 malte. Dort, in seinem Heimatdorf nahe der italienischen Grenze, hatten kurz zuvor Männer und Frauen einen Laienorden gegründet mit dem Ziel, die Regeln des weniger strengen beschuhten
Karmeliterordens im täglichen Leben zu praktizieren. Mola erhielt den Auftrag, die kleine Kirche auszuschmücken, darunter eine Szene aus dem Leben des Ordensheiligen Simon Stock (ca.1165 Aylesford, England - 1265 Bordeaux). Man kann sie noch heute bewundern, wenn man sich die Zeit nimmt, auf dem Weg von Mendrisio nach Chiasso einen kurzen Halt einzulegen. Mola hat sich übrigens selbst darin verewigt, als zweiter von links in der Szene, wie Maria - symbolisch - den Männern den braunen Überwurf und den Frauen den Schleier überreicht.
Der Hl. Simon Stock empfängt von der Muttergottes den Überwurf, Fresko von Pier Francesco Mola in der Kapelle Madonna del Carmelo, Coldrerio, Tessin
Anschließend begab sich Pier Francesco nach Venedig, wo er für Kardinal Bichi Kopien von Werken berühmter Maler anfertigte, darunter Veronese und Leonardo da Vinci. Daneben beschäftigte er sich mit biblischen Themen, wie etwa Die Taufe Christi in der Sammlung Pope-Hennessy in London und Die Predigt Johannes des Täufers, um 1650-1655, im Museum Thyssen-Bornemisza, Madrid.
Pier Francesco Mola, Die Predigt Johannes des Täufers, um 1650-1655, Museum Thyssen-Bornemisza, Madrid
Ab 1647 ist Mola in Rom gemeldet, und er wird diese Stadt nicht mehr verlassen. Grund dafür ist die einzigartige künstlerische Atmosphäre, denn unter den Päpsten Urban VIII. aus der Familie Barberini, Innozenz X. aus der Familie Pamphilj und Alexander VII. aus der Familie Chigi verändert Rom sein Aussehen. Die Stadt wird festlicher, fröhlicher, die Kirchenfassaden leichter, phantasievoller, Paläste, Plätze und Brunnen schießen wie Pilze aus dem Boden. Der größte Bildhauer des Barock ist hier am Werk, Gian Lorenzo Bernini, der Architekt Francesco Borromini aus Bissone baut die Kirche San Carlo alle Quattro Fontane und die Universität, der Maler Pietro da Cortona überzieht den Palazzo Barberini mit Fresken und der Bildhauer Antonio Raggi aus Morcote schmückt Altäre und Grabmonumente mit seinen Statuen.
Im früheren Sommerpalast der Päpste, dem heutigen Quirinal und Regierungssitz des Präsidenten, schuf Mola ein Fresko mit der Geschichte Josephs und seiner Brüder aus dem Alten Testament (1. Mose 37).
Pier Francesco Mola,
Joseph gibt sich seinen Brüdern zu erkennen,
1656,
Fresko im Gelben Saal des Quirinalspalastes, Rom
Im Buch von Filippo Titi, Beschreibung der öffentlich zugänglichen Gemälde, Skulpturen und Bauwerke in Rom, 1763, S. 309, heißt es darüber: An der großen Fassadenwand sieht man die Geschichte, wie Joseph dann von seinen Brüdern angebetet wird, hervorragend gemalt vom Schweizer Francesco Mola.
Daneben sind viele kleinere Kirchen im Bau, für deren Dekoration die besten Maler und Bildhauer nach Rom berufen werden. So erhält Mola den Auftrag für Fresken und Gemälde in den Kirchen S. Marco, S. Carlo, SS. Domenico e Sisto, S. Anastasia und Il Gesù. Inzwischen haben sich auch die am Konzil von Trient erlassenen strengen Vorschriften gelockert, wie biblische Szenen darzustellen sind. In Molas Kompositionen spielt jetzt die Landschaft eine immer größere Rolle, und die meist lebensgroßen Figuren bilden nicht mehr, wie noch in der Renaissance, den Mittelpunkt.
In den nächsten 20 Jahren entwickelt Pier Francesco eine reiche Palette mit vorwiegend warmen Gelb- und Brauntönen. Ein schönes Beispiel dafür ist Sokrates und die Jungen in der Villa Ciani in Lugano, eine Aufforderung an die Jugendlichen, sich im Spiegel zu beobachten und aus den eigenen Fehlern zu lernen - das berühmte Motto des Philosophen Erkenne dich selbst
.
Die Art, wie das Licht auf die Gesichter fällt, erinnert an einen anderen Tessiner Maler, der zu jener Zeit in Rom arbeitete, Giovanni Serodine aus Ascona.
Molas Persönlichkeit und wachsende Unabhängigkeit von kirchlichen und adeligen Auftraggebern zeigt sich in vielen Gemälden mit damals eher unüblichen Motiven, die heute in großen Museen hängen:
Der eindrucksvolle Orientalische Krieger im Pariser Louvre, der auch an der Ausstellung in Lugano 1989 zu sehen war. Das Bild ist am Ende des geschulterten Bogens signiert und trägt das Datum 1650.
Ferner: Kind mit einer Taube in der Art Gallery of Ontario, Toronto, Kanada; Der Violine spielende Homer in der Galerie der Akademie, Venedig; und Erminia hütet ihre Herde im Louvre, Paris.
1655 wird Pier Francesco, wie sein Vater zuvor, in die römische Akademie San Luca, die Zunft der Künstler, aufgenommen und 1662 sogar zu deren Präsidenten gewählt. Die Porträts von Mola Vater und Sohn sind heute noch in der Galerie der Akademie zu sehen.
Besonders eindrucksvoll sind auch seine Charakterköpfe, etwa dieser Mann, dem er den Titel Gottvater gab. Dafür könnte ihm die gleiche Person Modell gestanden haben wie für den oben gezeigten Orientalischen Krieger.
Oder das Bildnis des Papstes Alexander VII., das am 25. November 2008 bei Christies in Mailand zum Preis von 706.400 Euro versteigert wurde.
In den letzten Lebensjahren von 1662 bis 1666 wählte Mola gerne Themen aus der Mythologie. Dazu gehören Bacchus und Ariadne im Wilton House, England, und Erminia und Vafrin verbinden Tancredis Wunden, inspiriert vom Epos Das befreite Jerusalem von Torquato Tasso (1544-95), das sich damals grosser Beliebtheit erfreute.
Sehr schön sieht man hier die Rolle, welche die Farben als Ausdruck von Gefühlen spielen: kühle Blau- und Grautöne für den am Boden liegenden Tancredi und das erschrockene Pferd, und warme Töne für die Gewänder von Erminia und Vafrin, die sich liebevoll um den Verwundeten kümmern. Selbst der Himmel widerspiegelt durch den Kontrast von warmem Gelb und kühlem Blau die Zerrissenheit zwischen Hoffnung und Verzweiflung.
Der französische König Ludwig XIV. kaufte das Bild, das heute im Louvre hängt. In seinem Buch Leben der modernen Maler, Bildhauer und Architekten, Rom 1730-36, erwähnt Lione Pascoli, Ludwig XIV. sei vom Gemälde Jakobs Reise so beeindruckt gewesen, dass er Mola eingeladen habe, als Hofmaler nach Paris zu kommen. Mola sei jedoch gestorben, bevor er die Reise antreten konnte.
Am 13. Mai 1666 starb Pier Francesco Mola im Alter von 54 Jahren, ein Jahr nach seinem geliebten Vater, bei dem er meistens gelebt hatte - die Mutter Elisabeth war 1659 gestorben. Er war nicht verheiratet und hinterließ seinen Besitz den Nichten und Neffen in Rom.
Zum Schluss noch ein Blick in die Zukunft. Anlässlich des 400. Jahrestages der Geburt von Pier Francesco Mola beschloss die Gemeinde Coldrerio, bei nächster Gelegenheit ein Bild von ihm zu erwerben. Das Tessin besitzt bereits drei sehr schöne Gemälde: Der junge Cellospieler im Regierungspalast in Bellinzona;
Ferner den erst 1996 aus einer Privatsammlung erworbenen Hl. Hieronymus im Kunstmuseum Lugano; und den oben gezeigten Sokrates und die Jungen in der Villa Ciani in Lugano. Einige dieser Bilder werden, zusammen mit teilweise unveröffentlichten Gemälden und Zeichnungen aus Privatsammlungen, vom 31. März 2012 - 13. Januar 2013 in der Pinacoteca Züst in Rancate (Mendrisio, Schweiz) zu sehen sein.
Seit 2010 ist an der Akademie für Architektur in Mendrisio eine vom Schweizerischen Nationalfonds unterstützte Forschungsarbeit im Gange. Ihr Ziel ist es, das künstlerische Umfeld des Malers, die Beziehungen zu den Auftraggebern und seinen Einfluss auf die Entwicklung der Malerei näher zu untersuchen. Vielleicht ergeben sich dabei auch weitere Beweise für die Vermutung, dass der berühmte Maler Andrea Pozzo (Trient 1642-1709 Wien) aus Coldrerio stammt. Denn sein Vater Giacomo Puteus (Pozzo, Pozzi) kam, wie aus seinem Testament hervorgeht, vom Comersee
und war um 1640 in Trient am Bau eines Karmeliterklosters beteiligt, zusammen mit dem Architekten Bartolomeo Bianchi aus Coldrerio. Die Familie Pozzi hatte gemäß Kirchenbüchern enge Beziehungen zur Familie Mola: zum Beispiel war Andrea Pozzos Großmutter, Lucia, Taufpatin für unseren Pier Francesco Mola. Und es dürfte auch kein Zufall sein, dass der junge Andrea Pozzo zwei Studienjahre bei einem Schüler Molas in Como verbrachte.
Ausstellungen
Pier Francesco Mola 1612-1666, Rom und Lugano, 1989-1990
Mola e il suo tempo. Pittura di Figura a Roma dalla Collezione Koelliker,
Palazzo Chigi in Ariccia, 2005
Mola und Zeitgenossen. Römische Zeichnungen aus der Sammlung des Museums Kunstpalast in Düsseldorf, Ausstellung in der Graphischen Sammlung der ETH, Zürich, 2007-2008
Literatur
- Brink, S., Matile M: (Hrsg.): Pier Francesco Mola und Zeitgenossen - Römische Zeichnungen aus der Sammlung der Kunstakademie im Museum Kunstpalast Düsseldorf, Deutscher Kunstverlag, Berlin 2007
- Genty J.: Pier Francesco Mola, Ed. Trelingue, Lugano 1979
- Kahn-Rossi M. (Hrsg.): Pier Francesco Mola 1612-1666, Ausstellungskatalog, Electa, Mailand 1989
- Petrucci F. (Hrsg.): Mola e il suo tempo. Pittura di figura a Roma dalla Collezione Koelliker, Ausstellungskatalog, Skira, Mailand 2005
- Solcà G. e G.: I Mola di Coldrerio, Banca Raiffeisen, Coldrerio 2005
Links
- Pier Francesco Mola
- Pier Francesco Mola (Treccani)
- Fotos von Gemälden Pier Francesco Molas
- it.Wikipedia, Cavalier d'Arpino
- Guercino
- Quirinalspalast
- Ausstellung Mola e il suo tempo
- Ausstellung Mola und Zeitgenossen
- Graphische Sammlung in Düsseldorf
© U. Stevens 2012 / 2015